Wo das Alter im Fokus steht

Das Zentrum für Altersmedizin am Klinikum Klagenfurt widmet sich dem Alter in all seinen Facetten – auch mit einem Alterssimulationsanzug. Von Claudia Richter

Vor zehn Minuten hatte ich noch keinerlei Probleme, ein SMS zu schreiben. Doch jetzt geht das plötzlich nicht mehr. Meine Finger sind klamm. Ich sehe die Tasten am Handy nicht mehr richtig, kann kein A von einem U unterscheiden. Alles ist verschwommen. Grau in Grau. Neben mir steht ein Mensch, es ist wohl eine Frau? Sie fragt mich etwas. Ich höre wohl, aber ich verstehe nicht, was sie sagt. Es ist zum Davonlaufen. Aber das geht nicht. Meine Füße sind schwer wie Blei, der ganze Körper ist so unerträglich schwer, der Rücken schmerzt. Die Frau gibt mir eine Krücke, mühsam tripple ich Schritt für Schritt dahin, langsam, ganz langsam. Jeder Schritt ist eine Anstrengung. Am meisten irritiert mich dieses Grau vor den Augen, dieser Schleier, der mir die Sicht auf das Leben nimmt.

So oder ähnlich fühlt sich das Alter an. „Gert“ lässt jüngere Menschen spüren, wie das ist. Gert, das ist ein gerontologischer Simulator . eigens gefertigte Brillen, die eine Makuladegeneration oder grauen Star simulieren, eine 30 Kilo schwere Weste, eine Halskrause, Kopfhörer, die einen halb taub machen, Gewichte an den Beinen, spezielle Handschuhe und anderes, das einen unbeweglich, ungelenk, steif, zittrig macht. Und plötzlich ist man alt.

„Die meisten, die Gert ausprobiert haben, sind extrem betroffen,“ weiß die Ärztin und Gert-Spezialistin Anna Grötschnig. „Es bedrückt schon sehr, wenn man erlebt, wie man plötzlich so vieles nicht mehr schafft.“ Einer davon ist der Fotograf Karlheinz Fessl: „Das macht mir Riesenangst, unglaublich.“ Aber er und andere können sich Gerts wieder entledigen. Alte Menschen können das nicht, sie können der Ohnmacht des Alters nicht entfliehen.

Gert wird unter anderem im neuen Zentrum für Altersmedizin (ZAM) am Klinikum Klagenfurt eingesetzt. „Für Schulungszwecke, bei Seminaren mit jungen Ärzten und angehenden Krankenschwestern, um ihnen ein Gefühl zu geben, wie es den Leuten geht, die sie später betreuen. Aber auch bei Schülern wollen wir damit Bewusstsein schaffen,“ sagt Georg Pinter, Primar des Zentrums. Hier wird der alte Mensch in all seinen Dimensionen wahrgenommen und im Zusammenspiel von Pflege, (Alters-) Medizin, Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie, Psychologie und Sozialarbeit behandelt.

Aber nicht nur Gert ist hier eine Besonderheit, auch das derzeit einzige zertifizierte Alters-Trauma-Zentrum (ATZ) in Österreich selbst. Neben dem Zentrum für Altersmedizin sind hier Unfallchirurgie, Anästhesiologie, Intensivmedizin, das Institut für physikalische Medizin und Rehabilitation sowie Neurochirurgie eingebunden. Behandelt werden Patienten, die über 75 Jahre alt sind und einen Unfall hatten. Pinter: „Diese Patienten liegen zwar auf der Unfallchirurgie oder auf der Intensivstation, werden aber von uns mitbetreut.“ Was so viel bedeutet wie: Es wird nicht nur das gebrochene Bein, die zerschmetterte Schulter behandelt, es wird stets auch ein allgemeines Risikoprofil erhoben und unter anderem ein Screening auf Delir gemacht.

Prävention: Da diese akute Funktionsstörung des Gehirns mitunter lebensbedrohlich sein kann, ist Prävention enorm wichtig. Da genügt es oft schon, wenn man dem Patienten so bald wie möglich nach der Operation seine Brillen oder Hörgeräte gibt, ein Bild seiner Kinder auf das Nachtkästchen stellt oder eine gut sichtbare Uhr oder einen Kalender anbringt. Es geht in erster Linie darum, einem verwirrten Patienten Orientierung zu geben. Heuer gibt es am Klinikum Klagenfurt zudem spezielle Fortbildungen zum Thema Delir für Mitarbeiter aus allen Bereichen.

Erhoben werden im Alters-Trauma-Zentrum neben dem Delir-Risiko unter anderem aber auch Vitaminstatus, Ernährungssituation und Osteoporose-Risiko. „Weniger als 20 Prozent aller Osteoporose-Patienten erhalten eine adäquate Therapie. Diese Krankheit ist absolut untertherapiert,“ sagt Pinter. Zudem erhält jeder Patient am ATZ vor einer Operation ein sogenanntes Carbo-Loading, eine hochkalorische Zuckerlösung. Damit soll das Out-come nach der Operation verbessert werden.

Angeboten wird im Zentrum für Altersmedizin auch ein Begleitservice: Ehemalige (und jetzt pensionierte) Krankenpflegerinnen des Hauses betreuen regelmäßig Patienten, nicht nur, aber vor allem solche mit Demenz und jene, die kaum bis keinen Besuch bekommen. „Das ist eine absolute Win-Win-Situation. Die Patienten profitieren von der professionellen Zuwendung, die pensionierten ehemaligen Mitarbeiterinnen haben wieder eine Aufgabe, werden wertgeschätzt, und für uns ist es eine zusätzliche große Hilfe.“ so Pinter. Außerdem klagen Schmerzpatienten während und nach den Besuchen weniger über ihr Leiden, Psychopharmaka können reduziert werden, auch das Essen schmeckt in Gesellschaft besser. Das ist umso wichtiger, als viele der betagten Patienten mangelernährt ins Krankenhaus kommen.

Die Altersmedizin wird auch in Zukunft immer wichtiger werden. Denn die Zahl der betagten Menschen steigt. 1965 lebten in Österreich 958.181 über 65jährige, 963 Menschen waren älter als 95 Jahre. 2015 waren es 1,5 Millionen und 9673 Personen. 2050 sollen rund 2,4 Millionen Menschen älter als 65 und 41.000 älter als 95 Jahre sein. Nicht zuletzt deshalb hat das Österreichische Netzwerk gesundheitsfördernder Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen (ONGKG) die Zertifizierung zum „alter(n)s freundliches Krankenhaus“ ins Leben gerufen. Das Klinikum Klagenfurt ist da mit dabei. Auch das Ordenskrankenhaus der Elisabethinen in Klagenfurt und ein Krankenhaus in Tirol. Andere Spitäler sind gerade dabei, sich zu zertifizieren. Und das ist gut so, der Bedarf ist mehr als gegeben.

Der Altersmediziner Georg Pinter hat zusammen mit Kollegen das Coronabuch „Bereit für das nächste Mal“ geschrieben. Was könne wir aus der Coronakrise lernen und wie muss das Gesundheitssystem umgebaut werden, um vor der nächsten Pandemie besser geschützt zu sein? Außerdem gibt es konkrete Tipps, was jeder Einzelne tun kann, um sich vor Corona zu schützen, etwa auf seinen Vitamin-D-Spiegel zu achten.

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Es ist ein weiterer Schritt, die Krankenhäuser zu entlasten. So findet die geriatrische Remobilisation des LKH Villach etwa nicht mehr nur im Krankenhaus statt, sondern auch direkt im ständigen Wohnumfeld der betroffenen Patientinnen und Patienten, sagte Arnulf Isak, der Leiter der Geriatrie im LKH Villach: „Das nennt sich ambulante geriatrische Remobilisation. Das ist nichts anderes, als dass die volle geriatrische Betreuung, die wir stationär anbieten, zu den Patienten nach Hause kommt. Das heißt, es fahren Therapeuten, das sind Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden, Psychologen und ein Arzt nach Hause zu den Patienten." Der Patient erhält seine Therapie in seiner Küche, er muss seine Stiege bewältigen und wird so praktisch besser auf das Leben in seinem gewohnten Umfeld vorbereitet. Die Vorteile sind vielfältig: Zum einen gibt es die gleichen Therapiemöglichkeiten wie bei der stationären Behandlung, zum anderen ist diese Art der Behandlung günstiger: „Das ist eine Win-Win-Situation für Patienten und fürs Krankenhaus. Wir können die Aufenthaltsdauer dadurch verkürzen und die Patienten erhalten eine viel maßgeschneidetere Therapie, als es im Krankenhaus möglich wäre.“ Für die Patientinnen und Patienten bedeutet das auch, dass das Wohnumfeld während der Therapie an die Bedürfnisse angepasst werden kann, dadurch sinkt das Sturzrisiko. Und die Angehörigen werden von Anfang an mit eingebunden und angeleitet.
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