Die "Ärzte Woche" Nr.29-34/2017 schreibt unter anderem:
Die Tücken im Ausbildungssystem
Mit Blick auf die Statistiken ist es umso erstaunlicher, dass die Geriatrie in der universitären Ausbildung immer noch nur wenig Raum findet, während die Pädiatrie, wie alle anderen Fachrichtungen auch, mit eigenen Modulen im Curriculum verankert ist. Dabei befasste sich bereits 2002 eine groß angelegte weltweite Studie der WHO mit dem Zustand der Altersmedizin und der studentischen Ausbildung in Bezug auf dieses Fach. Schon diese kam zu dem Schluss, dass vor allem geriatrische Lernziele in den Curricula der medizinischen Ausbildung von Studenten fehlten. „Das ist eines unserer großen Probleme“, sagt Prim. Dr. Georg Pinter, Leiter der Sektion Klinische Geriatrie der ÖGGG. „Die Geriatrie muss bereits in der Ausbildung der Studenten an der Universität ihren Einzug finden. Nur dann wissen die Studenten alle, dass es ein wichtiges Thema ist, mit dem sie sich beschäftigen müssen.“
Auch das im Jahr 2003 von der geriatrischen Sektion der UEMS-GS (European Union of Medical Specialists) veröffentlichte Konzeptpapier resümierte ähnlich und stellte notwendige Kernkompetenzen zusammen. Nach mehr als zehn Jahren sind diese, wie eine Studie aus 2013 zeigt, jedoch gerade einmal an 15 von 37 befragten Universitäten in Deutschland und Österreich zumindest teilweise im Curriculum des Medizinstudiums implementiert. Daher wurde von der UEMS-GS ein detaillierter Lernzielkatalog aufgestellt, der u. a. die regionale Gesundheits- und Sozialversorgung älterer Menschen, rechtliche Themen und altersspezifische Gesundheitsfragen enthält. Die Reform der Medizinstudiumscurricula ist jedoch langwierig.
Klare Fachpositionierung fehlt noch
Die ÖGGG setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die Geriatrie nicht nur in der studentischen Ausbildung ihren festen Platz bekommt, sondern auch in der Aus- und Weiterbildung von approbierten Ärztinnen und Ärzten. Gerade Letzteres stellt die Geriatrie nicht nur in Österreich vor ein hausgemachtes Problem, wie auch die Professorin Mary Tinetti von der Yale University, USA, in ihrem Artikel „Mainstream or Extinction: Can Defining Who We Are Save Geriatrics?“ schreibt: „Unser größtes Problem ist aber vielleicht, dass wir selber nicht in der Lage sind zu erklären, wo genau wir Geriater uns selber sehen, was wir im Einzelnen machen und wo wir hin wollen. […] Sehen wir uns als Betreuer der Älteren oder nur der Ältesten? Sind wir Experten im gesunden Altern oder mehr Spezialisten für die Versorgung chronisch Kranker oder Gebrechlicher mit geriatrischen Erkrankungen, Langzeitversorger oder Versorger von Alterssymptomen?“
So schwierig es der Geriatrie derzeit fällt, ein weltweit gängiges, eigenes Verständnis von sich selber aufzubauen und sich klar zu positionieren, so vielfältig und für Außenstehende undurchsichtig ist auch der Aus- und Weiterbildungsmarkt in Österreich: Neben dem Masterprogramm „Geriatrie“ der Donau-Universität Krems gibt es einen Diplomlehrgang „Geriatrie“ der Akademie der Ärzte. Vor zwei Jahren wurde zusätzlich das Additivfach „Geriatrie“ von der Ärztekammer eingeführt. Dieses ersetzte die Möglichkeit einer Facharztausbildung in der Geriatrie, die Internisten, Neurologen, Psychiatern und Physikalisten für kurze Zeit offen stand. Offizieller Grund für diese Änderung war das Bestreben, auf europäischer Ebene ein einheitliches System aufzubauen. Es solle eine europaweit anerkannte Facharztausbildung aufgebaut werden, die der in anderen Fachbereichen ähnelt. Dies führte zu viel Unmut unter niedergelassenen Ärzten, da gerade dort der Wunsch nach einem schilderfähigen Facharzt groß ist. Verbunden ist dieser Wunsch mit der Hoffnung, geriatrische Leistungen und durch alte Patienten entstehende Zusatzaufwendungen wie längere Anamnesegespräche auch abrechnen zu können.
Gemeinsam arbeiten Geriatrienetzwerke, Versorger und Praktiker nun an einem Prozesshandbuch für den Praxisalltag. Das soll niedergelassenen Ärzten im Alltag helfen, Entscheidungen für oder gegen Klinikeinweisungen zu treffen oder geriatrisches Assessment durchzuführen.

Es ist ein weiterer Schritt, die Krankenhäuser zu entlasten. So findet die geriatrische Remobilisation des LKH Villach etwa nicht mehr nur im Krankenhaus statt, sondern auch direkt im ständigen Wohnumfeld der betroffenen Patientinnen und Patienten, sagte Arnulf Isak, der Leiter der Geriatrie im LKH Villach: „Das nennt sich ambulante geriatrische Remobilisation. Das ist nichts anderes, als dass die volle geriatrische Betreuung, die wir stationär anbieten, zu den Patienten nach Hause kommt. Das heißt, es fahren Therapeuten, das sind Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden, Psychologen und ein Arzt nach Hause zu den Patienten." Der Patient erhält seine Therapie in seiner Küche, er muss seine Stiege bewältigen und wird so praktisch besser auf das Leben in seinem gewohnten Umfeld vorbereitet. Die Vorteile sind vielfältig: Zum einen gibt es die gleichen Therapiemöglichkeiten wie bei der stationären Behandlung, zum anderen ist diese Art der Behandlung günstiger: „Das ist eine Win-Win-Situation für Patienten und fürs Krankenhaus. Wir können die Aufenthaltsdauer dadurch verkürzen und die Patienten erhalten eine viel maßgeschneidetere Therapie, als es im Krankenhaus möglich wäre.“ Für die Patientinnen und Patienten bedeutet das auch, dass das Wohnumfeld während der Therapie an die Bedürfnisse angepasst werden kann, dadurch sinkt das Sturzrisiko. Und die Angehörigen werden von Anfang an mit eingebunden und angeleitet.

Das erste stationäre Hospiz in Kärnten Ein Partner des Netzwerks Geriatrie Kärnten, die Diakonie de La Tour, errichtet in Treffen das erste stationäre Hospiz mit 10 Betten, eröffnet wird im Frühjahr 2024. Die Geriatrie betreut von der Tagesklinik, über die stationären und ambulanten Strukturen und Projekte bis hin zur Palliativ-Versorgung. Ein Hospiz ist nicht das Ende, sondern eine notwendige und schöne Ergänzung. Die PatientInnen-Umfrage von Likar und Janig von 1995 ist nach wie vor hochaktuell: wo wollen Sie gepflegt werden, wo sollen Sie sterben? 95 Prozent möchten zu Hause gepflegt werden und dort auch sterben. Da das nicht immer möglich ist, ist ein Hospiz mit seinem pflegerischen, spirituellen und medizinischen Angebot wichtig. Wir stellen das Angebot für ÄrztInnen vor: es sind ungefähr 25 Wochenstunden, die auf zwei KollegInnen aufgeteilt werden können. https://www.diakonie.at/jobplattform/offene-stellen/aerztin-arzt-fuer-erste-hospizstation-in-kaernten